16
Sep
2008

Das Paar

Samstags und bei Sonnenschein war die Stadt wieder eine heterogene Wuselmasse und das war sehr angenehm.
Ich trug ein Eis, eine liebe Freundin im Arm, einige sündige Einkäufe im Rucksack sowie Brie, Himbeeren und Buttermilch für später.

In diese allgegenwärtige Harmonie platzt plötzlich eine Gruppe junger Türkinnen, mit hochtoupierten Haaren (Amy Winehouse wäre begeistert - genauso wie ich), neonfarbenen Kleidern und Schuhen und farbenfrohem Makeup.

Sie laufen an mir vorbei, lachend und glucksend, Mädels halt.
Ein unauffälliger Mann neben mir sagt leise zu seiner Freundin:
"Bei der nächsten Landtagswahl wähle ich die NPD".
Seine unauffällige Freundin kichert.

Das Lachen und die Sonne blieben länger als das Paar.

27
Aug
2008

Diese Phasen

Es gibt sie, diese Phasen.

Menschen, bei denen man sich gleich zu Hause fühlt, Bars, die einen gleich willkommen heißen, Cafés, die ab sofort „unsere“ sind, Bäckereien, in denen „unsere“ Verkäuferin bereits nach kürzester Zeit „wie immer?“ fragt, alles fühlt sich richtig an und gar nicht belastend, spießig oder gar lästig, Freunden geht es gut, jeder geliebte Mensch ist gesund.
Es ist ein stetes Dahinfließen im Strom des Lebens, kein Dagegen-ankämpfen, kein verzweifeltes Übers-Wasser-halten, sondern ganz entspanntes Rückenkraulen.

Und plötzlich kippt alles.

Rutscht langsam von der Kante und zerschellt auf dem Asphalt.
Ein haarfeiner Riss im Boulevard, ein Stolpern, Straucheln und schmerzhaftes Fallen.

Witzig, wie ein schnurrender Motor, der plötzlich absäuft und uns in der Einöde stehen lässt.
Das Handy dabei?
Gut.
Kein Handy dabei, Handy dabei aber keinen Empfang?
Tja.

Und hoch oben die brennende Sonne.

26
Aug
2008

Echtes Lachen

Echtes Lachen ist selten geworden, oder vielleicht werde auch ich immer tauber, vom Lärm der Stadt, der Clubs, des Tempos, der rasenden Web 2.0-Generation-Y-ICEs und ein wenig vom Verkehr hier in der Stadt.

Lachen, das keine Sätze strukturiert, keine Männer anlocken will, keine Zustimmung heuchelt und keine Rivalinnen abschrecken soll, sondern unvermittelt aus dem Bauch nach oben schießt, durch den ganzen Körper vibriert und unangemessen und laut aus einem überrascht offenem Mund in die noch überraschtere Welt explodiert, keine Entschuldigung sucht, keiner Erklärung bedarf und für eine Weile in der Luft hängt wie Rauch, zu Boden rieselt wie Konfetti und leise glitzernd erlöscht.

25
Aug
2008

Einen Arschtritt, bitte

Sich selbst zu motivieren ist das Schwierigste überhaupt. Die Chinesen sagen dazu wenig hilfreich:

Auch ein Weg von tausend Meilen beginnt mit dem ersten Schritt.

Hm, doch dieser erste Schritt… geradezu unmöglich, mag das Gehirn doch von Natur aus ausgetretene Pfade und fährt sämtliche kognitiven, psychologischen und biologischen Waffen auf, um den Träger träge zu halten – und damit auch energiesparsam.

Wie kriegt man also den Arsch hoch, damit er nicht die Form des Stuhls annimmt?
Wie hält man Deadlines ein, damit das Konto nicht allzu sehr austrocknet?
Wie schaffe ich es, meine Mutter endlich regelmäßiger anzurufen?

Seufz.

Erstmal einen Kaffee.

Update:

Die Milch war schlecht und hat im Kaffee geflockt. Der Montag beginnt schon mal nicht schlecht. Bin auf den Rest des Tages gespannt.

24
Aug
2008

Hundeliebe

Deutsche Bahn, früh morgens, angenehmes Wetter, angenehme Mitreisende. Eine ältere Frau steigt zu, eine gigantische braune Dogge hinter sich herzerrend. Doch auf einmal will die Dogge nicht weiter, sie hat nämlich gerade ihr Herz verloren. An einen höchstens DIN A 4-großen Hund, ein schwarz-weißes Wollknäuel, der gerade zu jaulen beginnt. Die beiden Hundemamis trennen die sich gerade verliebenden Tierchen und die Dogge wird wenig liebevoll in ein anderes Abteil geführt. Das kleine Hundchen aber wimmert jetzt herzzerreißend, die Dogge hat offensichtlich sein kleines Herz erobert.

Die Sitznachbarin der Hundemami sagt zu ihr:
„Och, nur einmal schnuppern, lassen sie ihn doch!“
Doch die Mami ist streng zum kleinen Hund:
„Der ist doch eh viel zu groß für dich, da passt du fünfmal rein.“
Dem kleinen Hund ist es egal, das sind alles Nebensächlichkeiten, wenn zwei Seelenverwandte sich treffen und sei es in Form von zwei ungleich großen Hunden.

Das Winseln wird immer trauriger, die Leine und die verbohrte Besitzerin halten den Kleinen fest, gnadenlos. An der nächsten Haltestelle steigen der kleine Hund und seine strenge Mutti aus. Der Hund dreht sich ständig um, zerrt und winselt, doch es hilft nichts, er muss seiner großen Liebe Lebewohl sagen.
Für immer.

Hoffentlich wirst du im nächsten Leben als Mensch wiedergeboren, kleiner Hund.
In Freiheit.

23
Aug
2008

Rrrrrooooaaaarr!

Es sind doch noch nicht alle Dinosaurier ausgestorben, ich habe höchstpersönlich zwei von ihnen gesehen.

Der Mann meiner Freundin I. ist einer. Nach 21 Jahren höflich geführter, unaufregender Ehe beschloss die I. endlich mal ein Leben zu haben. Die drei Mädchen sind mittlerweile groß genug, um auf eigenen High Heels zu stehen, sie arbeitet halbtags in einer respektablen Bäckerei und sieht zehn Jahre jünger aus, als ihr biologisches Alter vermuten lässt.

Die Liebe? Ach, die Liebe gab es zwischen den beiden noch nicht mal anfangs, eher ein mildes Drängeln seitens der Eltern der beiden.

Nachdem ihr Mann nun ihre gesamten Einnahmen am Monatsanfang im Casino versenkt, sich besinnungslos besoffen, nach Essen geschrien und ihr noch am selben Tag verboten hatte, jemals wieder Röcke zu tragen, entschied sich die I. zu gehen. Doch ihr Mann wäre kein guter Dinosaurier, wenn er sich nicht gleich beim ersten Meteoritenschauer röchelnd auf den Rücken werfen und sterbend um Mitleid haschen würde. Nahrungs- und schlafverweigernd, jammernd und hilflos brummelte er so auf dem Rücken vor sich hin, tagelang.

Sobald die Eltern der beiden den Ruf des krepierenden Familienmitglieds vernommen hatten, waren sie auch sogleich zur Stelle und versuchten, das Urgetier wieder auf den Bauch zu rollen. Das Urgetier blieb jedoch beharrlich liegen und entschied sich, ohne das nährende Muttertier I. einfach mal auszusterben.
Doch die I. blieb sternenkalt, warf noch eine Sternschnuppe nach dem verendenden Urviech und stöckelte davon.

Bleibt noch einer.

Der zweite Dino hält sich jedoch noch wacker, ihn gilt es zu beobachten, dazu demnächst mehr.

22
Aug
2008

Ein freier Abend

Manchmal bleibt der Abend frei und leer, manchmal mag ich das. Es stehen keine Telefonate an, keine Verabredungen, keine Erledigungen, selbst die dicke Nachbarskatze Grete (Kurzform von „Margarete“), die sich so gern auf der sommerlichen Restwärme meiner Fensterbank herumwälzt und mir jeden Tag Gesellschaft leistet, ist längst nach Hause getrottet, ohne sich umzudrehen.
Kapriziöses Katzenstück.

Der Regen setzt ein. Ich sehe ihn nicht, doch der dünne Vorhang vor dem weit offenen Fenster verspricht ein Geräusch, das wie Regen in der Nacht klingt.

Klingt nächtlicher Regen anders?
Ja.

Besonders nächtlicher Sommerregen, der ganz selbstverständlich und ohne Ankündigung kommt, einem Besucher gleich, der unangemeldet klopft und den drögen Alltagsgedanken unterbricht, die routinemäßige Behäbigkeit, sich an keine Termine und Abmachungen hält und einfach eine Weile bleiben will.
Er erfrischt, reinigt, bringt zurück, wäscht sauber und geht wieder, die Nacht ein wenig klarer hinterlassend, als er sie vorgefunden hat.
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